An einem Donnerstag frei haben, wenn alle anderen ins Büro müssen. Geilo! Ich hab mich auch gar nicht lange gefragt, was ich mit diesem Tag anfangen würde. Ich tat einfach, was ich tun musste. Das einzig Richtige und längst Überfällige. Das so oft Geplante und genauso oft Verschobene. Ich schnappte mir meine Kamera und ein Notizbuch und wollte losziehen. Hinaus in den ersten perfekten Frühlingstag und in die Stadt, um die großartige Street Art zu konservieren, die Berlin zu bieten hat. Konserven sind gut. Gut für schlechte Zeiten. Kunst horten und somit der Vergänglichkeit von Street Art ein Schnippchen schlagen. Guter Plan! Denn ist sie da, ist sie weg. So schnell kannste gar nicht gucken.
Oft sind die Werke von vornherein nur auf Zeit angelegt. Und manchmal ist es die Stadt oder es sind die Hausbesitzer, die diese Kunst nicht mögen. Dann muss sie weg. Wird abgewaschen, übertüncht und durch Sauberkeit und Langeweile ersetzt. Da sind andere, die denken, dass sie es besser können und einfach was drüber malen oder kleben. Da sind Wind und Wetter, die sowieso immer mitmischen wollen. Und manchmal ist es der Künstler selbst, wie BLU, der aus lauter Frustration sein Einverständnis gibt, dass andere zu Pinsel und schwarzer Farbe greifen und zwei der schönsten Murals der Stadt in die ewigen Jagdgründe schicken. Gentrifizierung sucks.
Also hopp, hopp, bevor sich in der Zwischenzeit wieder etwas unwiederbringlich in Luft auflöst. Nur wohin genau? Das frage ich mich als kleines Orientierungswunder. Wie soll ich all die tollen Murals wiederfinden, die mir mal hier, mal da zugelächelt haben, als ich zu Fuß, mit der Bahn oder im Auto in Berlins Straßen unterwegs war? Also befrage ich das Internet. Das hat ja auf fast alles eine Antwort und so wurde ich auf der Website von Awesome Berlin fündig. Dort sind auf einer Street Art Map die Top 11 Murals auf einer Karte markiert. Die perfekte Grundlage für eine selbst geschnitzte Street Art Tour durch Kreuzberg, die ich hier und da noch durch ein paar schöne Fundstücke ergänzt habe.
Wenn ihr in Berlin seid und schon alle Sehenswürdigkeiten abgeklappert habt, dann nutzt doch auch die Gelegenheit zu einem Spaziergang und besucht einfach mal diese endlos scheinende Galerie unter freiem Himmel. Schließlich ist Berlin ein Zentrum der Street Art und das wollt ihr euch doch nicht entgehen lassen! Sicher kommt ihr dadurch in Ecken der Stadt, die ihr sonst vielleicht gar nicht aufgesucht hättet. Lasst euch dabei nicht schrecken, von dem bisschen Schnoddrigkeit. Ich musste auch klar kommen mit der Berliner Schnauze, die sich lauthals und vermutlich mehrmals täglich darüber wundert, dass schon wieder jemand das Kätzchen über dem Eingang „Zum Goldenen Hahn“ in der Oranienstraße ach so süß findet. Drei irritierte Augenpaare beobachten mich, während ich dort zugange bin. Ja, das süße Kätzchen! Oder die Rocker, die vor ihrem Laden sitzen und sich verwundert die Köpfe kratzen, als ich nebenan auf dem Gehweg herum robbe, um irgendein buntes Fitzelchen Papier abzulichten. Auch das Überangebot an Hundehaufen, macht mir zu schaffen, weil es beharrlich versucht, sich an meine Fersen zu heften, während ich gerade mal wieder den Blick nach oben richte und dabei die Gefahr aus den Augen verliere. Es grenzt fast an Magie, dass ich nirgends rein getreten bin. Und am Ende war ich ganz froh darüber, dass mir auch neue Bekanntschaften mit den Schwarzafrikanern und Arabern erspart blieben, die um den Görlitzer Park schleichen und nach Kundschaft mit Suchtproblemen suchen. Zu Street Art gibt es eben oft auch ein bisschen Milieu dazu. Urbane Authentizität halt.
Aber jetzt auf zur Tour!
Sie startet an einem nicht besonders schönen, dafür aber zentralen Punkt, dem Alexanderplatz. Natürlich könnt ihr die Sache von überall beginnen und jederzeit unter- oder abbrechen. Wenn ihr es genauso machen wollt wie ich, steigt ihr am Alex für zwei Stationen in die U-Bahn Linie 8 Richtung Hermannstraße. An der Heinrich-Heine-Straße verlasst ihr den Untergrund in Fahrtrichtung (von da an war ich übrigens nur noch zu Fuß unterwegs). Direkt an der Ecke Köpenicker und Brückenstraße steht ihr schon vor dem ersten Kunstwerk, dem Mural „Unter der Hand“ von Case Ma’Claim. Es wurde im Februar 2014 vom Thüringer Andreas von Chrzanowski angefertigt.
Direkt gegenüber, hinter der Toreinfahrt zum „Kite und Surfshop Berlin“ (Brückenstraße 1), gibt es gleich noch etwas zu sehen.
Geht nun die Heinrich-Heine-Straße Richtung Moritzplatz entlang. Nach einem kurzen Fußweg werdet ihr auf der rechten Straßenseite hinter Lidl „Face Time“ entdecken, das Teil einer gleichnamigen Serie ist und durch das Berliner Künstlerduo Various & Gould geschaffen wurde.
Wenn ihr in dieser Richtung weiter lauft, dann findet ihr direkt hinter dem Moritzplatz, in der Prinzenstraße Nr. 32/34 ein Mural von Agostino Iacurci. Es zeigt die „Verbindung von Mensch zu Mensch“ und soll das Aufeinandertreffen der beiden Berliner Stadthälften symbolisieren. Der Olivenbaum im Werk steht für die italienische Region Apulien, die Berlin dieses Kunstwerk zum 25-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung schenkte und dabei ein bisschen Werbung in eigener Sache machte. Der Künstler selbst stammt aus der Region.
Jetzt macht ihr kehrt, geht zurück zur Kreuzung und biegt in die Oranienstraße ab. Nach einem kleinen Fußmarsch werdet ihr hier und auch in den Nebenstraßen, wie zum Beispiel der Mariannen- und Naunystraße, an Hauswänden und Eingängen überall etwas zu sehen bekommen.
Nahe der Kreuzung zur Oranienstraße könnt ihr in der Mariannenstraße (Haus Nr. 195) „Astronaut Cosmonaut“ von Victor Ash bewundern. Es entstand 2007 im Rahmen des Berliner Backjumps Festival (so auch „Leviathan“ von Blu ganz unten) und gilt als eines der bekanntesten Murals in Berlin.
Kehrt ihm den Rücken und biegt auf derselben Straßenseite an der Kreuzung nach links in die Skalitzer Straße ab. Bereits an der nächsten Straßenkreuzung stoßen auch die Oranien- und Manteuffelstraße aufeinander und dort wartet ein Mural von ROA auf euch. Der 1975 geborene Belgier ist fasziniert vom Kreis des Lebens und bekannt für seine riesigen Malereien von toten oder halb verwesten Tieren.
Habt ihr euch satt gesehen? Dann geht es jetzt weiter zur Görlitzer Straße. Um dort hinzukommen, lauft ihr weiter in dieselbe Richtung die Skalitzer Straße entlang. Direkt hinter dem Lausitzer Platz wechselt ihr die Straßenseite und geht in die Görlitzer Straße. Auf dem Weg dorthin und auch in der Straße selbst, werdet ihr überall etwas entdecken können.
Die vierte Querstraße ist die Falckensteinstraße und direkt an der Ecke gibt es dieses hier zu sehen:
Wenn ihr wisst, von wem es ist, hinterlasst gern einen Kommentar, dann ergänze ich das noch. In der Falckensteinstraße selbst, findet ihr auf der linken Seite an einem kleinen Sportplatz dieses hier:
Jetzt aber auf in die Oppelner Straße, denn dort warten gleich zwei Kunstwerke auf euch. Lauft einfach die Falckensteinstraße weiter bis zur Wrangelstraße und biegt dort links ab. Die nächste Querstraße ist schon die Oppelner, dort geht ihr nach rechts und lauft Richtung Skalitzer. An der Brandmauer der Oppelner Straße 3 erwartet euch das tolle Mural „Yellow Man“ der brasilianischen Zwillingsbrüder Os Gêmeos aus dem Jahr 2005.
Und gleich schräg gegenüber (Haus Nr. 46/47) seht ihr „Rounded Heads“ von Nomad, das einen gesichtslosen Menschen zeigt, der eins wird mit einem Kapuzenwesen. Ein schönes Interview mit Nomad findet ihr auf der „Freunde von Freunden“ Website, wo er erzählt, wie er einer der weltweit populärsten Street Art-Künstler wurde.
So, einen hab ich noch und zwar das Mural „Leviathan“ (auch Pink Man oder Backjump) von BLU aus dem Jahr 2007 an der Oberbaumbrücke. Und so kommt ihr hin: Dreht euch einfach um 180 Grad, so dass ihr die beiden Kunstwerke im Rücken habt, und lauft weiter die Oppelner Straße entlang. Zu eurer Linken seht ihr den U-Bahnhof Schlesisches Tor, an dem ihr vorbei geht. Nach ein paar Metern stoßt ihr auf die Schlesische Straße, die ihr an der Fußgängerampel überquert. Links von euch ist übrigens der Burgermeister, wo es sich lohnt, auf einen Burger Halt zu machen. Nachdem ihr die Schlesische Straße überquert habt, befindet ihr euch schon in der Oberbaumstraße, die euch direkt zur Brücke führt. Da, wo sie beginnt, findet ihr auf der rechten Seite an der Brandmauer des Hauses Nr. 49 das letzte Mural dieser Tour, auf dem ein Riese zu sehen ist, der sich aus vielen kleinen Menschen zusammensetzt und gerade droht, einen weiteren zu verschlingen. Schaut mal auf der mega coolen Website von BLU vorbei, da gibt es noch ganz viele andere tolle Sachen zu entdecken.
Solltet ihr noch genügend Power haben, dann macht euch über die Brücke und bummelt an deren Ende (auf der linken Seite) an der East Side Gallery entlang. Ansonsten gibt es hier in Kürze meine Fundstücke aus Friedrichshain, Mitte und London. Zur Überbrückung bietet sich ein Zwischenstopp in Lissabon an. :)
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6 Comments
Sehr sehr cool! Hat mir viel Spaß gemacht, und mich lustigerweise erinnert an einen Post von mir, einen der ersten (deshalb sage ich jetzt auch nicht welcher, der ist noch nicht so *hüstl* toll fotografiert und geschrieben ;)): Ich hatte mitten in der Woche frei, es war strahlend blauer Himmel und ich bin durch Berlin getingelt und hab mir – unter anderen – Streetart angeschaut. Hach, ja, das sollte ich wirklich auch wieder öfter machen. Dein Post ist jedenfalls sehr klasse und informativ und ich ergänze ihn gleich mal in meiner Berlin-Tipp-Sammlung.
LG
/inka
Ja, solche Tage sind manchmal die besten und ich hab mir fest vorgenommen, viel mehr in Berlin zu machen und auch drüber zu schreiben. Denn irgendwie ist es doch ziemlich bescheuert, durch die halbe Welt zu rasen und eine der tollsten Städte zu vernachlässigen, obwohl man mittendrin wohnt. :-/
LG zurück!
bitte …. der schuhhh…. der muss unbedingt weg. das ist definitiv keine street art. sowas nennt sich werbung und definitiv nich street art. wenigstens ist nicht auch noch die werbung für die go forth kampagne von vhils aufgeführt. tut mir leid, dass ich so allergisch darauf reagiere aber genau solche werke sind es, die für den niedergang der street art verantwortlich sind/sein werden.
Hallo Ben, danke für deinen Kommentar und sorry, dass ich einen allergischen Schock bei dir ausgelöst habe. Ich kennzeichne den Schuh als Werbung und verweise von da gern auf deinen Kommentar. Der Vollständigkeit halber frage ich mich dann allerdings, ob das Mural von Agostino Iacurci nicht auch als solche gekennzeichnet werden müsste. Immerhin wurde es Berlin von der Region Apulien geschenkt – die damit ja auch Werbung macht. Falls jemand hierzu einen weiteren Kommentar hinterlassen mag – nur zu. Ich bin gespannt, wie ihr das seht. Viele Grüße Lu
Hallo Lu,
das sind wirklich tolle Fotos! Ich hoffe, dass ich bald mal wieder nach Berlin komme und dann auch die Gelegenheit haben werde eine Streetart-Tour durch die Stadt zu machen. Jetzt weiß ich ja, wo ich die besten Kunstwerke finden kann! :)
LG Jo
Hi Jo, danke schön! In Berlin lohnt es sich wirklich. Die Bilder in dem Beitrag decken auch nur einen Teil ab. Es gibt so viele Straßen und Ecken, in denen man was entdecken kann. Solltest du also auf jeden Fall einplanen. LG Lu