Eigentlich wollten wir in den ersten zwei Juniwochen nach Georgien fliegen. Eigentlich. Denn wie bei so vielen anderen auch, malte Corona ein fettes rotes Kreuz auf unsere Reisepläne. Ein Tapetenwechsel musste dennoch dringend her. Nur würden die Tapeten irgendwo in Deutschland kleben und nicht wie sonst, wenn ein längerer Urlaub ansteht, im Ausland.
Urlaub im eigenen Land also. Nicht, dass wir das noch nie gemacht hätten, aber so fremdbestimmt fühlt es sich gerade unbehaglich an. Wie wird es also werden? Kann das was? Notgedrungen finden wir es heraus. Die Wahl fällt auf´s Moseltal und dafür kann ich uns nachträglich gar nicht genug auf die Schultern klopfen. Eine sehr gute Entscheidung! Denn die Flusslandschaft ist umwerfend und die Weinberge sind lieblich. Was bei letzteren abfällt, wird gefühlt an jedem zweiten Haus in flüssiger Form verkauft. Hinzu kommen kleine Dörfer und Städtchen, die sich links und rechts der Mosel erstrecken, viel Wald und scheinbar endlose Wandermöglichkeiten. Was will man eigentlich mehr?
Letztendlich entscheidet Airbnb wo genau unser Urlaub an der Mosel stattfindet. Es ist das Dorf Pünderich. Noch niiie gehört!
Urlaub an der Mosel: Pünderich, wo sich Schwan und Nilgans gute Nacht sagen
Keine 1.000 Seelen zählt Pünderich an der Mittelmosel, das ungefähr auf halber Strecke zwischen Koblenz und Trier liegt und wo man sich staatlich anerkannt erholen kann und jetzt quasi irgendwie auch muss. Meine Skepsis löst sich in Luft auf, als wir bei der Anreise oben auf der Bergkuppe ankommen, die den Blick ins Tal freigibt und somit auf die Mosel, die Weinberge und kleinen Dörfer. Mein Herz schlägt direkt höher. Es kann sogar sein, dass ein kleiner Glücksjauchzer aus mir herausbricht, weil es einfach umwerfend ist. Anders kann man das nicht beschreiben.
Gleich am ersten Abend machen wir eine Ortsbegehung. Über dunkle Pflastersteine schlängeln wir uns durch Pünderichs verschlafene Gässchen hindurch und landen natürlich auch am Ufer der Mosel. Keine Straße trennt sie vom Ort, dafür lädt eine Promenade zum Spazieren und Radfahren ein. Hier und da sitzen Menschen auch mal auf Decken – zum Plaudern und Picknicken. Dazwischen stolzieren geräuschvoll Nilgänse durchs Gras und Schwäne sind mit der aufwändigen Pflege ihrer Federpracht beschäftigt. Manchmal zieht ein Lastkahn oder Ausflugsschiff vorbei und tagsüber tuckert hin und wieder die kleine Fähre über´s Wasser.
Abends wird die Mosel ganz still und glatt wie ein Spiegel, in dem sich die Marienburg, Weinberge und auch die Fähre selbst ein bisschen für ihren Anmut bewundern. Es scheint, als würde sie sich nun auch mal zur Ruhe legen, nach dem vielen Mäandern den ganzen Tag. Ganz lieblich und unschuldig liegt sie uns zu Füßen. Wie das doch täuschen kann, ist an einigen Häusern im Ort abzulesen. Markierungen und Jahreszahlen höher und noch höher. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um zu sehen, wo den Leuten hier das Hochwasser schon stand. Selbst im nicht besonders niedrigen Fährhaus hat es das Wasser irgendwann schon mal bis ins Wohnzimmer geschafft. Unvorstellbar irgendwie und doch gehört das zu einem Leben an der Mosel dazu.
Von Fachwerkhaus zu Fachwerkhaus: Ein Spaziergang mit Bildungsauftrag
Auch wenn Pünderich nicht der bekannteste und touristischste Ort an der Mosel sein mag, lohnt es sich trotzdem sehr, eine Runde durchs Dorf zu drehen. Nicht zuletzt wegen den schönen Fachwerkhäusern, die es hier zu sehen gibt – manche mit besonders hübschen Verzierungen. Außerdem hat sich jemand die Mühe gemacht, etwas über deren Vergangenheit aufzuschreiben und auf kleinen Tafeln an die Häuser zu hängen.
Das schönste Ensemble steht übrigens nur ein paar Meter von der Fähre entfernt – das alte Fährhaus von 1621 und direkt dahinter, und mit noch ein paar Jahren mehr auf dem Buckel, das alte Rathaus aus dem Jahr 1548. Ich schätze mal, dass keiner Pünderich verlässt, ohne ein Foto von diesem bezaubernden Pärchen geschossen zu haben.
Mehr Informationen zu den Fachwerkhäusern in Pünderich findest du hier.
Am anderen Moselufer: Weinlehrpfad, Marienburg und Prinzenkopf
Wenn du in Pünderich bist, solltest du auf jeden Fall mit der Fähre ans andere Ufer übersetzen, um weitere Ausflugsziele zu erreichen. Da sie nicht täglich und auch nicht durchgängig in Betrieb ist, informiere dich am besten vor Ort über die Fahrzeiten. Eine einfache Fahrt für Erwachsene kostet 1,50 Euro und im Preis ist auch ein bisschen Entertainment durch den alten Fährmann enthalten, der voll und ganz dem entspricht, was man sich unter einem Seemann so vorstellt. Mit grauem Bart und Haar und kessem Mützchen oben drauf teilt er gern alle Tipps für die Umgebung, die er ad hoc so aus der Pfeife schütteln kann. Und da kommt so einiges ans Licht.
Wie zum Beispiel die Empfehlung, einen Abstecher hinauf zur Marienburg zu machen, von wo aus man einen super Ausblick auf die Mosel hat. Damit die 440 Stufen, die du bewältigen musst, nicht ganz so heftig werden, gibt der Weinlehrpfad Pünderich immer wieder einen guten Grund, um kurz mal inne zu halten und zu verschnaufen. Während du das tust, kannst du auf insgesamt 26 Tafeln viel Wissenswertes über die Weingeschichte rund um die Marienburg und über Rebsorten erfahren.
Unweit der Marienburg, befindet sich auf einem kleinen Berg außerdem der 27,3 Meter hohe Aussichtsturm „Prinzenkopfturm“. Bei unserem Besuch war er leider gesperrt, von oben hat man aber einen ganz tollen Ausblick auf die Moselschleife „Zeller Hamm“.
Wanderungen in und um Pünderich
Ein unschlagbares Argument für einen Urlaub an der Mosel, ist für uns die Vielzahl an Wandermöglichkeiten in der Region, ob auf dem berühmten Moselsteig oder einem der unzähligen anderen Wege. Am Fluss entlang, durch Weinberge, über die Moselhöhen oder durch wildromantische Täler – im Grunde weiß man gar nicht, wo man anfangen und aufhören soll und bräuchte eine Ewigkeit, um die ganzen schönen Wege abzugehen. Unsere Touren haben sich wetterbedingt leider etwas in Grenzen gehalten. Ein bisschen was konnten wir aber machen und ich erzähle dir bald noch in einem eigenen Artikel davon.
Nur so viel schon vorab: Pünderich selbst und die nähere Umgebung kannst du auf sechs Rundwegen, die zwischen 2,7 und 12 Kilometern lang sind, entdecken. Der eine oder andere schließt auch die Marienburg und den Prinzenkopf ein. Eine Infotafel, auf der alle Wege dargestellt sind, findest du unweit der Fähre. Als besonderer Tipp wird hier außerdem auf den ca. 23 Kilometer langen Themenwanderweg „Kanonenbahn – Eisenbahnhistorischer Kulturweg Bullay-Reil“ hingewiesen. Die Route soll nicht nur für Eisenbahnfreunde interessant sein, sondern behandelt auch moseltypische Themen, unter anderem Weinbau, Architektur sowie Tier- und Pflanzenwelt.
Urlaub an der Mosel: Abstecher in die Nachbarorte von Pünderich
Als hätte sie jemand auf eine Schnur gefädelt und diese dann ganz vorsichtig zwischen Mosel und Weinberge gelegt, reiht sich in der Region eine bezaubernde Ortschaft an die andere und du solltest auf jeden Fall hier und da mal rechts ranfahren und dir zumindest ein paar von ihnen anschauen.
Pünderich haben wir ja ganz genau unter die Lupe genommen, aber auch Abstecher in die Nachbarorte Reil und Zell gemacht. Besonders bezaubernd fand ich das Fachwerkdorf Enkirch, das eine wahre „Schatzkammer“ ist, wenn es um rheinische Dorfbaukunst geht. Bei einem Bummel durch die schmalen Gässchen des Ortes kannst du viele mittelalterliche Fachwerkbauten entdecken, regionale Produkte beim Metzger oder Winzer einkaufen und dich in einer der Straußwirtschaften niederlassen, um die Seele baumeln zu lassen.
Da Enkirch nur etwa sieben Kilometer von Pünderich entfernt liegt, kannst du sogar zu Fuß gehen – natürlich immer an der Mosel entlang.
Noch ein Tipp, falls dir zwischendurch der Sinn nach einer größeren Stadt steht: Fahr doch mal nach Trier. Die älteste Stadt Deutschlands, die vor mehr als 2000 Jahren gegründet wurde, liegt nur ca. eine Stunde von Pünderich entfernt. In Trier solltest du auf jeden Fall einen Bummel über den hübschen Marktplatz und durch die anliegenden Straßen machen. Schau dir auch die älteste Bischofskirche in Deutschland, den Trierer Dom St. Petrus, an und direkt nebenan die Liebfrauen-Basilika, die wiederum die älteste gotische Kirche in Deutschland ist. Was bei deinem Besuch ebenfalls nicht fehlen darf, ist das „Schwarze Tor“, besser bekannt als Porta Nigra. Einst eines von vier Stadttoren in Trier und unzähligen im Römischen Reich, ist die Porta Nigra heute das besterhaltene römische Stadttor nördlich der Alpen. Ich erspare dir an dieser Stelle, die Schlechtwetter-Fotos, die ich in Trier geschossen habe. Vertrau mir einfach, dass sich der Ausflug lohnt.
Urlaub an der Mosel: den Tag in einer Straußwirtschaft ausklingen lassen
So wie in fast allen Weinbaugebieten Deutschlands gibt es sie auch an der Mosel, die so genannten Straußwirtschaften. Sie haben eine lange Tradition und geben einem Winzer das Recht, den selbst erzeugten Wein auszuschenken. Allerdings nur für eine begrenzte Zeit im Jahr. Wenn es soweit ist, wird das außen an der Wirtschaft durch einen geschmückten Strauß, Besen oder Kranz angezeigt. Ausgeschenkt wird der Wein im Hof, Keller oder einem Probierraum des Weingutes. Hier und da bekommst du dazu auch einfache, regionale Gerichte serviert. Gemütlicher kannst du einen Tag an der Mosel nicht ausklingen lassen!
Die Straußwirtschaft unseres Vertrauens und ein Lieblingsort in Pünderich ist die familiengeführte Straußwirtschaft Lay. Sie liegt mitten im kleinen historischen Ortskern und sieht so sympathisch und gemütlich aus, dass wir uns hier einfach niederlassen müssen und das nicht nur ein Mal. So probieren wir uns regelmäßig durch die famose Weinkarte und schwatzen mit Herrn und Frau Lay sowie Sohn Matthias, deren Familie schon seit zehn Generationen Weinbau betreibt.
Auf die Frage, wie viele Rebstöcke sie ihr eigen nennen, überschlägt Vater Lay kurz und kommt auf ca. 30.000. Die sind auf Weinbergen auf beiden Seiten der Mosel verteilt, sagt er, und schon saust er mit einem Laserpointer über das große Panoramabild, das im Gastraum hängt: Die Besten befinden sich in der Lage Pündericher Marienburg, also quasi direkt gegenüber. Der mit Abstand wertvollste Weinberg liegt unterhalb des Aussichtsturmes Prinzenkopf. „Reiner Südhang, der nur in mühevoller Handarbeit bewirtschaftet werden kann.“ Hui! Die Reben dort sind über 65 Jahre alt und der Wein hervorragend, wovon ich mich natürlich selbst überzeuge.
Geöffnet hat die Straußwirtschaft Lay von Mai bis Oktober, jeweils von Donnerstag bis Samstag in der Zeit von 18:00 bis 22:00 Uhr. Eine Übersicht mit Straußwirtschaften in der ganzen Region findest du hier.
Unterkünfte in Pünderich
Wie überall, stellt sich natürlich auch hier die Frage nach einer Unterkunft. In Pünderich gibt es jede Menge davon und für Camper/Wohnmobile finden sich am Moselufer zahlreiche Stellplätze.
Wir verbringen die ersten Nächte in einer Ferienwohnung des Weinguts Brohl. Die Unterkunft ist absolut in Ordnung und es gibt hier alles, um sich wohl zu fühlen und selbst zu versorgen. Da machst du auf jeden Fall nichts falsch. Der Knaller für uns ist dann aber für drei weitere Nächte das Alte Fährhaus. Ein absoluter Glückstreffer, mal in so einem Fachwerkhaus wohnen zu können. Ich hab getanzt vor Freude und empfehle eine Übernachtung in dieser muckeligen Ferienwohnung beim sehr netten Gastgeber Thomas von ganzem Herzen. Und falls dort gerade nichts frei ist, versuch es mal direkt nebenan, im alten Rathaus. Denn auch dort wird eine Ferienwohnung vermietet.
Mein Fazit
Ich kann es nicht anders sagen: Nach den sechs Urlaubstagen an der Mosel bin ich ganz vernarrt in Pünderich und die ganze Region, mit ihrer wunderbaren Landschaft und den freundlichen Menschen. Mal abgesehen vom Wetter, das nicht immer mitspielen wollte, hatten wir hier eine richtig gute Zeit und ich bin total begeistert wieder nach Berlin gefahren. Mal gut, dass ich mir wieder ins Gedächtnis rufen konnte, dass Urlaub in Deutschland sehr wohl etwas kann. An die Mosel werde ich ziemlich sicher irgendwann nochmal fahren.
Lesetipps
Damit du dir ein noch besseres Bild von der Moselregion, ihren Orten und Ausflugszielen machen kannst, habe ich ein paar Tipps von meinen BloggerkollegInnen für dich:
- Sabrina nimmt dich auf ihrem Blog Couchflucht mit nach Traben-Trarbach.
- Sandra und Michael von One Million Places berichten über ihren Ausflug nach Bernksatel-Kues.
- Was du in und um Cochem erleben kannst, erfährst du auf Kathis Blog Kulturtänzer.
- In einem super umfangreichen Artikel teilt Julia von Globusliebe die schönsten Weindörfer, Wanderungen, Burgen und Ausflüge an der Mosel mit dir.
- Und Sonja von delightful SPOTS versammelt in ihrem Buch „52 kleine & große Eskapaden Mosel, Saar und Hunsrück“ ebenfalls Tipps für einen Urlaub an der Mosel.
Bist du schon an der Mosel gewesen? Was hast du dort erlebt und wie hat es dir gefallen? Erzähle es mir in den Kommentaren. Und wenn dir der Artikel gefallen hat, freue ich mich, wenn du ihn teilst.
Like it? Pin it!
6 Comments
Liebe Lu,
wundervoll geschrieben, da macht Dir keine/r was vor. :-) Und ich hab sogar was gelernt: wusste tatsächlich noch nicht, warum eine Straußwirtschaft so heißt und dass ein Besen oder Strauch draußen anzeigt, dass ausgeschenkt wird.
Freue mich schon auf Deinen Wanderartikel.
Liebste Grüße,
Sabrina
Liebe Sabrina,
danke dir!! <3 Und schön, dass du noch was dazu gelernt hast, auch wenn das heute vielleicht nicht mehr alle Wirtschaften so machen. Aber der Name kommt auf jeden Fall davon. Mit dem Wanderartikel habe ich zumindest schon angefangen - mal sehen, wann er endlich fertig wird.
Allerliebste Grüße zurück
Lu
Liebe Lu,
ich bin schon so oft an der Mosel gewesen, denn mein Job führt mich mehrmals im Jahr dorthin – aber von einem Pünderich habe auch ich noch nie etwas gehört… ein interessanter Tipp und mal etwas anderes, selbst wenn man die Region bereits einigermaßen gut kennt. Danke dafür ;-)
Liebe Grüße
Kasia
Liebe Kasia, freut mich sehr, wenn ich den Horizont um Pünderich erweitern könnte. :) Liebe Grüße Lu
Es ist wirklich genial an der Mosel, dass eine fülle toller Wanderwege immer unmittelbar vor der Haustüre liegt. Grade auch um die Gegend bei Pünderich. Der Moselsteig, die Touren rund um die Marienburg, der Prinzenkopfturm, die Briedeler Schweiz – es ist wirklich super dort. Dein Schreibstil ist auch sehr angenehm. Danke für deinen Bericht.
Danke für deinen netten Kommentar! :)