Heute soll unser Urlaub beginnen. Vier Wochen zur freien Verfügung. Mit dem Auto wollen wir erst kurz nach Frankreich, um Freunde zu besuchen. Dann nach Spanien. Ins Binnenland soll es gehen. Wir freuen uns auf schöne Orte, aufregende Landschaften und ein bisschen Einsamkeit. Wandern wollen wir, Vögel beobachten, die Hängematte zwischen wechselnde Bäume hängen. Einfach mal die Seele baumeln lassen und dabei einen großen Stapel Bücher weglesen. Schönen Schinken und Tapas schnuckern und ab und zu auch mal ein Gläschen Wein trinken. Dieses italienische La Dolce Vita genießen, nur halt in einem anderen Land, das nicht Italien ist. Das wollen wir. Und maximal unabhängig sein, das wollen wir auch. Bleiben, wo es schön ist. Weiterfahren, wenn uns der Sinn danach steht. So die Theorie.
Die Praxis sieht so aus: Gegen 15 Uhr sind wir bereit für die erste kurze Etappe. Alles ist fein säuberlich im Auto verstaut. Die Sonne scheint. Gleichzeitig fallen ein paar Regentropfen vom Himmel. Die Blätter an den Bäumen werden gelb und der Wind bläst ein paar von ihnen vor uns über die Straße. Es wird Herbst in Deutschland. Wir wollen ihn jetzt hinter uns lassen, um im Süden vielleicht noch einen kleinen Zipfel vom Sommer zu erhaschen. Es soll die längste Reise seit meiner Studienzeit werden. Es wird die kürzeste aller Zeiten, denn wir schaffen es vom Prenzlauer Berg gerade mal bis zum Potsdamer Platz. Dort ändern sich ganz plötzlich die Regeln für unser Roadtrip-Spiel.
Eine Warnleuchte macht sich bemerkbar. Blinkt und blinkt und will nicht mehr aufhören. Die Bedienungsanleitung liefert nur ungenügende Informationen. Laut Dr. Google und verschiedenen Schrauberforen kann es alles mögliche sein. Ich lese und lese. Mir wird ein bisschen anders dabei.
Letztlich dauert unser Ausflug nur knapp drei Stunden. Berlin verlassen wir nicht einmal annähernd. Dafür verbringen wir die Zeit in zwei Werkstätten. In der ersten gibt es nur wildes Fuchteln mit einer Taschenlampe unter der Motorhaube. Von einer Frau, die nicht darauf besteht, mit Gott angesprochen zu werden, die dafür aber auch keine Lust hat, sich am Mittwochnachmittag nochmal richtig reinzuhängen. Wo doch die nächsten zwei Tage schon Inventur angesagt ist und sie dann Schrauben zählen muss. Auch darauf hat sie keine Lust. Das ist nicht zu übersehen. Immerhin empfiehlt sie uns eine andere Werkstatt, die ebenfalls auf unsere Automarke spezialisiert ist und da rollen wir hin.
Trotz des inzwischen noch weiter fortgeschrittenen Nachmittags schließt der freundliche Herr seinen Computer ans Auto an. Als ich mich dazu geselle, ist der Vorgang bereits abgeschlossen und ich höre nur noch die letzten Worte eines Satzes, der mit 900 endet. Danach möchte ich eigentlich nichts mehr hören. Aber er prüft seine Angabe nochmal und muss sie leider nach oben korrigieren. Das höchste Gebot bei dieser Versteigerung von Nervenzusammenbrüchen landet am Ende bei ca. 1600 Euro. Ein Haufen Geld, den er persönlich wahrscheinlich nicht mehr in das Fahrzeug investieren würde. Auch empfiehlt er im aktuellen Zustand keine längeren Fahrten mehr zu machen. Wir kramen gedanklich in der Portokasse. Schließlich steht gerade der Urlaub auf dem Spiel. Aber nein. Danke, erstmal nicht.
Nun sitzen wir wieder in der Wohnung zwischen Taschen und Kisten. Der Mann sucht nach alternativen Lösungswegen. Gemeinsam loten wir Optionen aus. Unsere Reise wollen wir uns nicht nehmen lassen. Aber wie es gehen kann und wohin sie uns führen wird – wir wissen es gerade nicht genau.
Foto: Matthias Zwanzig
2 Comments
Scheiße.
Live is a bitch, hoffentlich habt Ihr nichts kostenintensives vorgebucht, was Ihr jetzt nicht mehr absagen könnt?
Was mir dazu einfällt:
1. Bei Freunden fragen, ob jemand gegen Gebühr das Auto verleiht. Haben wir auch mal so gemacht, bei uns ist das Auto nämlich schon zweimal direkt vor dem Familienurlaub verreckt (jedes Mal ein anderes).
2. Spontan eben doch das neue Auto kaufen, was ja anscheinend ohnehin ersetzt werden muss? Ja, das war unser zweites Mal, als das Auto verreckte und wir nunmal eines brauchten. Gelobt sei das Konto mit der Notkohle drauf.
3. Alle Pläne über Bord schmeißen und die 4 Wochen irgendwas total Beknacktes und anderes tun (was natürlich nur geht, wenn Ihr alles andere kostenfrei stornieren könnt): Den Herbst auf der Havel in Brandenburg verbringen (aaawwww), Euch eine Kaminwohnung an der Ostsee nehmen, spontan einen Flug sonstwohin buchen.
Toitoi für eine güldene Idee und haltet die Öhrchen steif.
LG /inka
Ach Inka, du bist toll. Danke! Und ja, scheiße! Gebucht hatten wir zum Glück gar nichts und diese Optionen auch durchgespielt. Nr. 3 war ne Weile ein Thema, aber wir hatten uns so auf Spanien gefreut. Deshalb wurde die verworfen. Nummer zwei wird dann wohl nach dem Urlaub in Angriff genommen, da Nummer 1 quasi passiert ist. Ein Freund hat uns sein Auto geliehen und wir rollen seit etwas mehr als ner Stunde wieder. Hoffentlich geht jetzt alles gut. Deine Notfallpläne heb ich mir aber mal auf. :) Aber wie krass, dass dir das schon zweimal passiert ist. Dazu fällt mir dann auch nur ein: life is a bitch!
Liebe Grüße!!
Lu