Letztes Jahr zu Ostern war für mich die Zeit gekommen, einen Abstecher ins East End London zu machen. Vor allem das riesige Angebot an Street Art zog mich magisch an. Aber ich habe schnell festgestellt, dass das East End auch darüber hinaus einen besonderen Charme hat – Street Art hin oder her. Und vielleicht hast du in London auch schon alle Sehenswürdigkeiten angeschaut, fotografiert und abgehakt? Dann mach es doch bei deinem nächsten Aufenthalt in dieser Stadt so wie ich. Lass dich durch unbekannte Straßen treiben. Sei ein Flaneur. Entdecke einen Ort, an dem du vorher noch nicht gewesen bist. Das East End ist zwar längst kein Geheimtipp mehr und zieht viele Touristen an. Trotzdem wird es dir einen abwechslungsreichen Tag bescheren und ganz sicher wirst du dich gern an die Märkte, Cafés, Galerien, Shops, Second Hand Läden und die roten Ziegel der Gebäude erinnern, die dich dort umgeben.
Blick zurück: no-go-Area East End
Zu erzählen wäre über das East End wahrlich genug. Dieser Teil der Stadt, der einst Sammelbecken für Arme und Immigranten war. Über die Geschichte des Stadtteils zu lesen ist, als würde man die ganze Zeit auf ein Schild starren, auf dem steht „Achtung, Sie betreten jetzt den Sektor für Unterprivilegierte“.
Viel Industrie gab es hier und zeitweise stiegen die Bevölkerungszahlen sehr stark an, weil Ströme von Flüchtlingen aus allen Herren Ländern immer mehr Menschen in den Osten Londons schwemmten. Unter ihnen Iren, die versuchten, der großen Hungersnot zu entkommen, der sie sich aufgrund der ausgeblieben Kartoffelernte gegenüber sahen. Oder Juden, die aus Russland und Polen flüchteten. Das waren natürlich noch nicht alle, die es hierher verschlug. Aber auch sie mussten erleben, dass Armut, Kriminalität und Prostitution über lange Zeit auf der Tagesordnung standen. Der zweifelhafte Ruf des East End London wurde noch gefestigt, durch Jack the Ripper, der hier Ende des 19. Jahrhunderts sein Unwesen trieb. Mehrere Prostituierte hat er in den Straßen des Bezirks Whitechapel ermordet. Was für düstere Zeiten müssen das gewesen sein!
Die Zeiten ändern sich: Gentrifizierung im East End
Aber die ehemalige no-go-Area ist heute keine mehr. Vielerorts wurde aufwendig renoviert oder neu gebaut. Ein Beispiel wie stark sich der Osten verändert hat, ist sicher der Hafen von Tower Hamlets. Dort, wo über Generationen hinweg Waren aus aller Welt ankamen, verschanzen sich heute internationale Finanzhäuser hinter Glas und Beton so hoch das Auge reicht. Die Spuren vergangener Tage verlieren sich irgendwo unter Asphalt oder hinter neuen Mauern.
Auch zwischen Whitechapel und Shoreditch ist vieles nicht mehr, wie es einmal war. So wie Licht auf Motten wirkt, zogen leer stehende Gebäude sowie Lagerräume und niedrige Mieten Künstler und Kreative an. Clubs und Galerien etablierten sich. Auch junge Familien entdeckten die Reize des East End. Die Gentrifizierung setzte ein. Inzwischen dürfte sie – zumindest in Teilen – das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Denn die Nähe zur unbezahlbaren Londoner City, die nur einen Steinwurf entfernt liegt, war und ist natürlich auch für Banker verlockend. Auch sie richteten ihren Blick nach Osten, liebäugelten mit ihm und entdeckten dort ebenfalls einen neuen Lebensraum für sich.
In der beliebten Brick Lane – so liest man – leben heute Menschen, die entweder am oberen oder am unteren Rand der Gesellschaft zu verorten sind. Es dürfte der untere Rand sein, der für den Mix aus Sprachen und Kulturen verantwortlich ist, den du dort ebenfalls vorfinden kannst. Vor allem Einwanderer aus Indien, Pakistan und Bangladesch leben hier und bilden eine große Community.
Noch ist nicht an jeder Ecke im East End vollständig ausgeschöpft, was man aus Mietern herauspressen kann. Auf meiner Suche nach Street Art wurde mir das besonders bewusst. Denn ich fahndete nach Häusern in einer bestimmten Straße, fand aber nicht mehr das vor, was in dem Artikel beschrieben war. Denn wo heute noch ein Gebäude steht, bummst morgen die Abrissbirne alles weg. Häuser, ganze Straßenzüge verschwinden, müssen Platz machen, für Luxus-Lofts oder neue Bürogebäude. So lange es möglich ist, wird scheinbar versucht, Street Art zu erhalten. Aber irgendwann wird es vermutlich auch für sie an der Zeit sein zu gehen.
Fundstücke meiner Street Art Tour durchs Londoner East End
Deshalb gilt wie immer: Bevor alles weg ist, schnell noch mal nen Blick drauf werfen! Hier kommen meine schönsten Fundstücke dieses Tages:
Wie du ins East End kommst und wo du Street Art findest
Bevor ich mich ins East End aufmachte, habe ich natürlich nach Artikeln mit Tipps für Touren gesucht. Dabei bin ich auf diesen hier gestoßen. Wie darin vorgeschlagen, startete ich meine Tour an der Old Street Station, zu der du mit der U-Bahn kommst. Ich muss dich allerdings warnen, denn der Artikel ist nun auch schon fast vier Jahre alt. Wundere dich also nicht, wenn es dir wie mir ergeht und nicht mehr alles an Ort und Stelle ist.
Grundsätzlich wirst du Street Art auf jeden Fall in der Brick Lane sowie in der Redchurch Street und deren Seitenstraßen finden. Auch die Sclater, Bacon und Hanbury Street sind empfehlenswert. Dein Banksy-Herz lässt garantiert das Cargo London in der 83 Rivington Street höher schlagen. Dort kannst du übrigens auch ganz gut einen Drink einnehmen, falls du den nötig hast.
Das solltest du im Londoner East End nicht verpassen
Beim Flanieren durchs East End haben es mir die Brick Lane und The Old Truman Brewery, die sich in der Brick Lane 91 befindet, besonders angetan. Aber auch der Old Spitalfields Market (Horner Square) und der Boxpark Shoreditch mit seinen Pop-up Stores (2-10 Bethnal Green Rd) sind gute Anlaufstellen, wenn du ein bisschen bummeln gehen möchtest. Am Ende des Tages sind wir zufällig auch noch auf das „PUMP Shoreditch“ (168 Shoreditch High Street) gestoßen. Ein kleiner, aber irgendwie ganz niedlicher Streetfood Market, der an einer alten Tankstelle sein zu Hause gefunden hat.
Du bist auf der Suche nach noch mehr Tipps fürs Londoner East End? Dann schau doch mal bei Taina vorbei. Auf ihrem Blog „Was mit B“ hat sie ihren persönlichen Brick Lane Guide veröffentlicht. Sie verrät dir dort ihre liebsten Shops, Food- und Kaffeespots.
Kerstin von „Paradise found“ hat eine geführte Street Art Tour durch das Londoner East End mitgemacht. Und natürlich hat sie einen ausführlichen Bericht über ihre Entdeckungen geschrieben. Dort findest du auch einen Tipp für einen Anbieter, falls du so eine Tour machen möchtest.
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13 Comments
Hey Lu!
Vielen lieben Dank für die Verlinkung meines Artikels! Wie schön zu sehen, dass einige der Kunstwerke, die ich vorletztes Jahr im Sommer gesehen habe bis letztes Jahr Ostern standgehalten habe. Ein wirklich toller, informativer Beitrag mit schönen Bildern hast Du da geschrieben! Nächstes Mal zieh ich dann auch auf eigene Faust los, mit Deinen Tipps in der Tasche :)
Liebe Grüße, Kerstin
Hey Kerstin,
sehr gern und dir auch vielen Dank. Wäre auch zu schade, wenn die Kunstwerke verschwinden würden. Hoffe, die halten sich noch ne Weile!
Liebe Grüße zurück
Lu
Hallo Lu,
dein Artikel kommt wie gerufen, denn bald geht es wieder nach London. Obwohl ich schon wirklich sehr oft in London war, habe ich es noch nicht ins East End geschafft. Diesmal steht es aber ganz oben auf der Liste der Orte, die ich in London besuchen möchte. Deine Bilder sind richtig klasse und bestärken mich nochmal darin das Viertel unbedingt zu besuchen und mir die tolle Streetart anzuschauen. :)
Liebe Grüße
Peggy
Hey Peggy,
perfekt! :) Mir gings ja auch so – unheimlich oft da gewesen und erst letztes Jahr bis ins East End vorgedrungen. Aber das lohnt sich auf jeden Fall und ich bin gespannt auf deinen Bericht!
Liebe Grüße
Lu
Hallo Lu,
den Beitrag musste ich sofort lesen. Ich war im August selbst im East End unterwegs und mir hat es der Stadtteil total angetan. Vor allem am Wochenende wenn die ganze Märkte ihre Tore öffnen… Wir haben uns hier quasi einmal um den Erdball gefuttert :-) Die Street Art hast Du toll eingefangen! Überhaupt ein sehr schöner Blog – werde ich öfter vorbeischauen.
Liebe Grüße
Katharina
Hallo Katharina,
danke schön! Ich bin da sicher auch nicht das letzte Mal gewesen. Ein Abstecher ins East End lohnt sich wohl immer. Beim nächsten Mal muss ich auch unbedingt noch mehr futtern. ;)
Liebe Grüße
Lu
Hallo Lu,
Lieben Dank für den schönen Artikel und die genialen Fotos!!! Gefällt mir total :)
Liebe Grüße aus Argentinien,
feli
Hey Feli, das wiederum gefällt mir total! :) Liebe Grüße Lu
Hallo Lu,
das sind ja mega schöne Fotos! Wahnsinn :) Ich fliege im März nach England, bleibe dann aber leider nicht in London sondern fahre gen Küste. Schade – dein Artikel macht echt Lust, das East End zu entdecken. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben und so… ;)
Liebe Grüße
Imke
Hey Imke, danke für deinen lieben Kommentar! Die Küste ist ja auch mega. Da bin ich fast ein wenig neidisch und wünsche dir eine schöne Zeit dort. Das East End eroberst du dann einfach beim nächsten Mal! :) Liebe Grüße Lu
Super Fotos, Lu! Besonders Truman Backyard Market. Die Sonnenreflexion, Boxpark, der Mann, der auf sein Handy schaut und 24-26 Fournier Street und die Mutter mit dem schlafenden Kind. Viele Grüße aus dem Harz gerade, Taina und Matze.
Hey Taina & Matze, danke schön und Grüße zurück in den Harz! LG Lu
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