2012 wollten wir Silvester mal ganz anders verbringen. Ein anderes Land, nicht zu teuer, nicht zu weit weg und gut zu erreichen. So sollte es sein. Und weil das damals noch möglich war, fuhren wir mit dem Zug von Berlin ins polnische Breslau. Ca. 5 Stunden Zeit, um Unmengen Schnittchen, Buletten, gekochter Eier und die Restbestände der Weihnachtsplätzchen zu verputzen und sich in Spekulationen über das Reiseziel zu verlieren. So verging die Zeit recht schnell und schon sollte Breslau für drei Tage uns gehören.
Unser Hotel befand sich direkt am Ring der wunderschönen Altstadt Stare Miasto, mit seinen wertvollen und farbenfroh restaurierten Bürgerhäusern, die uns willkommen hießen und zu einem Bummel durch die Fußgängerzone und über den mittelalterlichen Marktplatz „Rynek“ einluden. Kleine Läden, Cafés und Restaurants reihen sich dort aneinander und machen es Besuchern nicht schwer, einfach mal fünfe gerade sein zu lassen. Wir schlossen uns diesem Lebensgefühl an, tanzten eine Runde um den riesigen Weihnachtsbaum, der noch festlich geschmückt auf dem Markt stand und still beobachtete, wie die Bühne für die große Silvesterparty aufgebaut wurde.
Aber bis die losgehen sollte, würde noch reichlich Zeit bleiben, um die Studentenstadt im Südwesten Polens zu erkunden, die so viel zu bieten hat. Neben unzähligen kulturellen Einrichtungen, wie Museen, Theater und Oper, prägen auch das prachtvolle Rathaus und zahlreiche Kirchen das Bild Breslaus. Eine der ältesten und größten der Stadt ist die eindrucksvolle St. Elisabeth Kirche. Ihr rekonstruierter Kirchturm will mit ca. 91 m hoch hinaus und man sieht ihn schon von weitem. Wir wählten aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen allerdings den Aussichtsturm der Magdalenenkirche. Aber auch von dort hatten wir einen herrlichen Blick über die Stadt.
Auch wenn man bei klirrender Kälte nicht allzu viel davon hat, so ist Breslau eine Stadt mit zahlreichen Grünflächen. Je Einwohner kommt hier einiges zusammen und ich stelle es mir herrlich vor, im Sommer auf einer dieser Wiesen zu liegen und einfach gar nichts zu tun, außer ab und an mal zu blinzeln. Aber es war nun einmal Winter und das mit dem Rumliegen kam nicht in Frage. War aber auch egal, denn es gab genug zu entdecken.
In diesem Zusammenhang will ich nicht verschweigen, dass die Stadt neben dem ganzen Grün auch auf ihren Titel als „Venedig Polens“ verweisen kann. Das klingt verheißungsvoll und in Teilen war das für uns auch nachvollziehbar. Wir haben nicht nachgezählt, aber die Stadt verteilt sich wohl auf über zehn Inseln, weil hier fleißig zwischen einer Vielzahl von Kanälen gebaut wurde. Entsprechend viele Brücken gibt es. Eine aus Stein und genietetem Stahl, ächzend unter der Last zahlreicher Schlösser, die Verliebte an alles ketten, das sich nicht wehren kann, führte uns auf die Insel, die das Wahrzeichen Breslaus sein zu Hause nennt, der Dom. Ein beeindruckendes Bauwerk, dem wir ebenfalls unsere Aufmerksamkeit zu Teil werden ließen.
Wie immer, wenn wir in einer anderen Stadt sind und sich die Möglichkeit bietet, mussten wir natürlich auch der hiesigen Markthalle einen Besuch abstatten und nach landestypischen Produkten und Leckereien suchen.
Darüber hinaus fanden wir auch den Weg zur Jahrhunderthalle, die sich Freunde gepflegter Architektur nicht entgehen lassen sollten. Wir stromerten durch Neubausiedlungen am Rande der Stadt und fanden dabei auch das Museum für zeitgenössische Kunst, in dem wir uns stundenlang an einer Installation aus bedruckten Magnetfolien austobten und eine absurde Szenerie nach der anderen schufen.
Wenn wir nicht gerade damit beschäftigt waren, die Sehenswürdigkeiten Breslaus unter die Lupe zu nehmen, ließen wir uns mal hier, mal da auf ein Getränk oder ein polnisches Gericht nieder. Das Monsieur Café ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben und das nicht nur, weil man herrlichen Schabernack mit den Schnauzbärten an den Fenstern treiben konnte, sondern weil es dort wirklich leckeren Kaffee und Kuchen gab und es uns vor dem sicheren Kältetod bewahrt hat.
Die Silvesternacht auf dem Marktplatz verlief übrigens friedlich, ohne Zwischenfälle oder nervige Böllerattacken. Und bevor ich gleich einen polnischen Abgang mache, noch ein Tipp: Breslau wird 2016 Kulturhauptstadt sein. Also bucht schon mal eure Tickets und macht euch bereit. Die von uns genutzte Zugverbindung existiert zwar leider nicht mehr, aber für schmales Geld und mit erträglicher Reisedauer lässt sich die Strecke auch per Fernbus bewältigen.
2 Comments
Breslau steht bei uns in diesem Jahr auf der Wochenendtrip-Liste. Nachdem uns Pilsen letztes Jahr als Kulturhauptstadt ein wenig enttäuscht hat, klingen deine Erfahrungen mit Breslau wirklich gut. Viele Grüße, Saskia
Hallo Saskia,
Erfahrungen sind ja immer eine sehr subjektive Angelegenheit. Aber ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass ihr es genauso gut finden werdet. Im Frühling oder Sommer ist es bestimmt ganz toll dort.
Liebe Grüße
Lu