Der Moment, in dem du feststellst, dass du einen kleinen, spitzen Stein im Schuh hast. Das sagt der Mann. Nicht mehr und nicht weniger. Dann läuft er tapfer weiter durch die Bergwelt der Azoren. Kein schöner Moment für ihn, denn jeder weiß, wie ätzend so ein kleiner, spitzer Stein im Schuh sein kann. Vor allem dann, wenn man ihn aus Gründen gerade nicht loswird. Irgendwie aber ganz gut für mich. Denn dieser Moment gibt den Anstoß, eine ganze Liste von ihnen in mein Reisetagebuch zu kritzeln.
Die guten waren zeitweise in der Unterzahl, schlussendlich überwiegen sie jedoch. Gefühlt zumindest. Und das ist die Hauptsache. Denn streckenweise war das nicht absehbar. Meist lag es am Wetter und ich kann dir sagen, auf den Azoren gab es jede Menge Wetter. An einigen Tagen so viel, dass ich fest überzeugt davon war, mir ein schlimmes Regenwolkennebel-Trauma zugezogen zu haben. Es war nicht ganz einfach.
Und weil ich dir nicht das Blaue vom Himmel lügen will, das oft gar nicht da war, teile ich hier nicht nur die schönen, sondern auch die blöden Momente mit dir. Mit letzteren fange ich an, damit du am Ende nicht denkst, dass die Azoren kein gutes Reiseziel sind und du da nicht hinfahren kannst. Schlag dir das gleich aus dem Kopf. Die Azoren sind wundervoll! Wir hatten einfach nur ein bisschen Pech.
:(
Der Moment, in dem du feststellst, dass du einen kleinen spitzen Stein im Schuh hast.
Der Moment, in dem dir klar wird, dass du deinen Kamm vergessen hast.
Der Moment, in dem du den Horizont nicht mehr sehen kannst, weil er so verhangen ist.
Der Moment, in dem du gerade auf dem Berggipfel ankommst, das Wetter umschlägt und du von einer sehr dicken Wolke verschluckt wirst.
Der Moment, in dem dir jemand sagt, dass das Wetter außergewöhnlich beschissen ist und sich der Mai hier normalerweise wie Sommer anfühlt.
Der Moment, in dem es wieder anfängt zu regnen, obwohl der letzte Schauer erst fünf Minuten her ist.
Der Moment, in dem dir das Pfeifen des Windes durch die Fensterritzen wie Folter vorkommt und du dieses Geräusch einfach nicht mehr ertragen kannst.
Der Moment, in dem du zusammenzuckst, weil wieder der erste von vielen Regentropfen gegen eine Fensterscheibe klatscht.
Der Moment, in dem du denkst, dass es nie wieder aufhören wird zu regnen.
Der Moment, in dem du denkst, dass es nie wieder aufhören wird zu regnen.
Der Moment, in dem du denkst, dass es nie wieder aufhören wird zu regnen.
Der Moment, in dem du vom vielen Regen klitschnass bist und du dir wünschst, dass du die grässliche Outdoorjacke doch gekauft hättest.
Der Moment, in dem du den Gedanken verwirfst, dass du noch einen anhaltenden Vorgeschmack auf Sommer oder wenigstens Frühling bekommen wirst, und du stattdessen gern die Heizung aufdrehen und Pantoffeln anziehen oder ein heißes Bad nehmen möchtest.
Der Moment, in dem du unter der Dusche stehst und das warme Wasser alle ist.
Der Moment, in dem es auch im Haus anfängt zu tropfen.
Der Moment, in dem du denkst, dass du später kein gutes Wort über die Azoren wirst sagen können.
Der Moment, in dem dich das Wetter so fertig macht, dass du anfängst zu weinen und einfach nicht mehr aufhören kannst.
Der Moment, in dem du denkst, dass es der schrecklichste Urlaub aller Zeiten ist.
Der Moment, in dem du darüber nachdenkst, dass das vielleicht der einzige Urlaub in diesem Jahr sein könnte.
Der Moment, in dem du nochmal kurz weinen musst.
Der Moment, in dem du feststellst, dass du schon mehrere Tage an einem Ort bist und wegen des Wetters noch nicht ein vernünftiges Foto machen konntest.
Der Moment, in dem du dich nicht mehr freuen kannst, sobald die Sonne scheint, weil du dem Frieden nicht traust und genau weißt, dass es sowieso gleich wieder anfangen wird zu regnen.
Der Moment, in dem es wieder anfängt zu regnen.
Der Moment, in dem du dich fragst, ob auf dieser Insel wirklich ein Vulkan steht. Denn seit du am Flughafen gelandet bist, hast du ihn in drei Tagen noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen.
Der Moment, in dem dir klar wird, dass du voraussichtlich nicht wie geplant diesen Vulkan besteigen wirst, weil dort oben zusätzlich zu den dicken Wolken auch noch Schnee liegt.
Der Moment, in dem dir jemand sagt, dass es das mit dem Schnee im Mai in den letzten 18 Jahren nicht gegeben hat.
Der Moment, in dem dir klar wird, dass du eigentlich nur einen einzigen Abend draußen verbringen konntest.
:)
Der Moment, in dem du zum ersten Mal den fremden Boden betrittst und weißt, dass jetzt Urlaub ist.
Der Moment, in dem dich ein Fremder vom Flughafen abholt und zu seinem Haus fährt.
Der Moment, in dem dir das Meer zu Füßen liegt und du hin und weg bist von der Landschaft.
Der Moment, in dem du vor dem niedlichen Häuschen stehst, in dem du die nächsten Tage wohnen wirst und dir ausmalst, wie toll es werden wird.
Der Moment, in dem du morgens mit einem Kaffee und einem Buch vor genau diesem Häuschen in der Sonne sitzt und alle Zeit der Welt hast.
Der Moment, in dem dir klar wird, was für ein Glück es ist, wenn man zwei Bäume besitzt, zwischen die man eine Hängematte hängen kann.
Der Moment, in dem dir klar wird, dass du auch prima ohne Kamm leben kannst.
Der Moment, in dem du nicht mehr sagen kannst, an welchem Tag und in welcher Uhrzeit du eigentlich lebst.
Der Moment, in dem du das Internet nicht mehr vermisst und der überraschend schnell kommt.
Der Moment, in dem du feststellst, wie lange so ein Akku vom Handy halten kann.
Der Moment, in dem du froh bist, dass du die Nachrichten im Fernsehen nicht verstehst und die Welt einfach noch ein bisschen ausblenden kannst.
Der Moment, in dem du nachts draußen bist und diese vielen Sterne am Himmel siehst.
Der Moment, in dem du nachts draußen bist, zum ersten Mal dieser merkwürdig schreiende Vogel über dich hinweg fliegt, du dir vor Angst fast in die Hosen machst und dann ein bisschen kichern musst.
Der Moment, in dem du aufwachst und die Sonne scheint.
Der Moment, in dem du dich doch darüber freust.
Der Moment, in dem du feststellst, dass der Vulkan tatsächlich existiert und quasi direkt hinter dem Haus steht.
Der Moment, in dem du morgens den schneebedeckten Gipfel dieses Vulkans sehen kannst.
Der Moment, in dem du im T-Shirt in der Sonnen sitzt und dir klar wird, dass doch Frühling ist.
Der Moment, in dem du zum ersten Mal im Jahr Sonnencreme riechst.
Der Moment, in dem du feststellst, dass du noch irgendwas vergessen hast, dir aber beim besten Willen nicht einfallen will, was es ist, weil du es offensichtlich gar nicht brauchst.
Der Moment, in dem der Regenbogen in voller Breite nicht aufs Bild passt.
Der Moment, in dem du deinen ersten Wal siehst und dann noch einen und noch einen.
Der Moment, in dem ein Finnwal aus dem Meer springt.
Der Moment, in dem Delphine neben dem Boot über die Wellen jagen.
Der Moment, in dem auf dem Ozean ein ordentlicher Regen einsetzt, du ganz nass wirst, es dir aber nichts ausmacht.
Der Moment, in dem du feststellst, wie unfassbar schön es aussieht, wenn Regentropfen aufs Meer fallen.
Der Moment, in dem du in einem Laden die kleine schwarze Fließe mit dem türkisfarbenen Walkopf entdeckst und sie kaufst, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen.
Der Moment, in dem du den ersten Schluck Wein von dieser Insel trinkst.
Der Moment, in dem du dem Nebel in den Bergen doch noch etwas abgewinnen kannst.
Der Moment, in dem du die Zeit anhalten willst.
Der Moment, in dem das warme Wasser wieder bis zum Ende des Duschvorgangs reicht.
Der Moment, in dem dir morgens jemand einen Korb mit dem weltbesten Frühstück auf die Veranda stellt.
Fast hätte ich sie vergessen, diese unausweichlichen Momente. Die man nicht haben will, die aber früher oder später kommen. Die mich meist ein bisschen melancholisch machen und dich vielleicht auch.
:-|
Der Moment, in dem der Urlaub fast zu Ende ist und du schon jetzt sehnsüchtig darauf zurückblickst.
Der Moment, in dem es heißt, Abschied zu nehmen.
Der Moment, in dem du dich fragst, ob du jemals im Leben wieder an diesen Ort kommen wirst.
Der Moment, in dem du in und irgendwo wieder aus dem Flieger steigst.
Der Moment, in dem du vom Land in die Stadt zurückkehrst und das irgendwie befremdlich findest.
Der Moment, in dem du Zuhause ankommst und eigentlich direkt wieder los willst.
Der Moment, in dem du die Sonnenbrille im Flur liegen siehst und dir einfällt, dass sie es war, die es gemeinsam mit dem Kamm nicht ins Gepäck geschafft hatte.
Das waren meine Momente auf den Azoren. Was ist mit dir? Hattest du auch schon ähnliche oder ganz andere, die noch viel besser oder schlimmer waren? Erzähl es mir in den Kommentaren! Und falls du oben nicht auf den Link geklickt hast, empfehle ich dir hier noch einmal meinen Bericht übers Whale Watching auf den Azoren.
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