Vor unserer Reise haben wir uns über die Tierwelt auf den Kapverden informiert. Hier gibt es so gut wie nichts, wovor man sich fürchten müsste. Bis auf einen giftigen Hundertfüßler, den wir aber auch nur einmal antrafen, als er sich bereits in hochprozentiger Sicherungsverwahrung suhlte. Auch lebend ist er sehr scheu, so dass man von ihm theoretisch nichts zu befürchten hat. Das freute uns zu hören und bis zu unserer Ankunft auf Santo Antao, kreuzte kaum ein Insekt oder anderes wildes Tier unseren Weg. Das sollte sich nun ändern.
Bei der ersten Nutzung unserer Zimmertoilette sitze ich so herum und inspiziere währenddessen den Raum. Alles recht einfach und überschaubar hier: Duschecke, Klo, Spülkasten, Loch in der Wand mit Stoff davor (Fenster), Lampe, Waschbecken, Handtuchhalter. Das war es schon. Ach nee, da ist auch noch die Tür. Klar. An genau dieser Tür bleibt mein Blick nun hängen. Ein Riesenexemplar von einer Spinne hockt da und glotzt mich an. Toll, denk ich, das ist ja ein grandioser Start. Nicht nur, dass mich allgemein ihre Anwesenheit nervt, Diskretion scheint auch nicht ihr Ding zu sein. Immerhin sitze ich gerade auf dem Klo. Könnte sich wenigstens wegdrehen oder die riesigen Augen mal kurz zu halten. Wird ja nicht gleich runter fallen, wenn sie mal ein oder zwei Beine dafür hergibt. Aber daran denkt die gar nicht. Ich sehe also zu, dass ich fertig werde. Schön mit der Ruhe, bloß keine hektischen Bewegungen. Ich habe ja nicht einmal die kleinste Information über dieses – Ding. Ganz langsam strecke ich meinen Arm aus und öffne so vorsichtig ich kann die Tür. Die knarrt bedrohlich, weshalb ich dieses seltsame Geschöpf ganz genau im Auge behalte und bete, dass sie mir nicht gleich um den Hals fällt. Ich schaffe es ohne Attacke aus dem Bad, um kurz darauf mit meiner Kamera bewaffnet wieder darin zu verschwinden. Der Mann fragt, was das jetzt wird. Spinne! Groß? Ja! Wie? Sehr! Ach, wie groß kann die schon sein? Riesig. Ach Quatsch.
Anstatt sich selbst von ihrer Existenz und beachtlichen Körperfülle zu überzeugen, nimmt der Mann nur die Fotogrußbotschaft von ihr entgegen. Unterstützend demonstriere ich mit Hilfe meiner Hand, wie er sich das in echt ungefähr vorstellen kann. Das findet er ekelhaft. Er schüttelt sich. Einmal komplett vom Kopf bis zu den Füßen. Aber wir können jetzt gerade nichts an der Situation ändern. Und da sie im Moment keine Anstalten macht, sich zu bewegen oder uns in sonstige Verlegenheiten zu bringen, entscheiden wir uns vorerst dafür, sie als unwillkommene Mitbewohnerin zu dulden und in friedlicher Koexistenz die nächsten Tage mit ihr zu verbringen. Wir sind guter Dinge, dass diese Entscheidung von beiden Seiten getragen wird.
Als wir später mit unseren menschlichen Mitbewohnern zusammen sitzen, kommt irgendwann auch das Gespräch auf unsere langbeinige Bekannte. Die Reaktionen reichen von blankem Entsetzen bis hin zu dem Vorschlag, ihr einen Namen zu geben oder sie uns mit menschlichen Accessoires vorzustellen, um die Sache angenehmer für uns zu gestalten. Der Mann lehnt das ab. Er möchte keine Spinne im Zimmer. Auch keine lustige. David hat Angst, dass wir sie töten könnten. Einerseits steht solch ein Vergehen hier quasi unter Todesstrafe, andererseits scheint er ein großes Herz zu haben. Auf jeden Fall bietet er uns an, den Störenfried zu evakuieren. Zuerst lehnen wir ab, aber je näher die Schlafenszeit rückt, umso unbehaglicher werden die Gedanken. David wiederholt sein Angebot und ohne groß nachzudenken, nehmen wir an und schreiten zur Tat. Er geht ins Bad, schließt die Tür hinter sich. Es rumpelt. Dann ist es still. Hat er jetzt vielleicht selbst Panik, wo er sich Auge in Auge der Spinne gegenüber sieht? Schließlich wäre er eine ergiebige Eiweißquelle und Energielieferant für die nächsten Monate. Ach, was sage ich, Jahre! Aber die Tür geht plötzlich wieder auf. David kommt aus dem Bad, läuft wortlos mit zerzauster Frisur und starrem Blick durch unser Zimmer, um mit diesem haarigen Etwas in der Nacht zu verschwinden. Wir atmen auf und folgen ihm in sicherem Abstand.
Später, beim Versuch das Bett mit dem Moskitonetz zu präparieren, finden wir eingerollt im Netz eine weitere, deutlich kleinere Spinne. Da wir sie keinen Fall näher kennenlernen wollen, bleibt das Moskitonetz oben. Eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera, die am nächsten Morgen in Form diverser Mückenstiche greifbar wird. Immerhin scheint das Spinnenproblem gelöst. Oder?
Erfahre im zweiten Teil, wie es weitergeht. Folge mir außerdem auf Facebook, Twitter oder Instagram, denn bald geht es hier weiter, mit Geschichten und Berichten aus der Welt.
No Comments