Zu Besuch auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein

24. April 2016
Weil am Rhein - Vitra Campus

Letztens habe ich mein Traumhaus gefunden. Na ja, sagen wir besser ein Traumhaus. Denn würde mir morgen jemand seinen Sparstrumpf in die Hand drücken und sagen „hier Lu haste was, kauf dir´n schönes Häuschen von“, dann würde mich das in eine tiefe Krise stürzen, weil ich mich nicht entscheiden könnte, zwischen modernem Betonwürfel und altem Bauernhaus. Von den vielen Nuancen dazwischen ganz zu schweigen und vom Wo brauchen wir erst gar nicht anfangen. Da dieser Gedanke aber sowieso etwas wahnwitzig ist, zurück zu diesem einen, das da einfach so auf einer Wiese herum stand und mich mit seiner ausgefallenen Architektur sofort in seinen Bann zog. Denn es war nicht einfach nur ein Haus, sondern gleich mehrere kreuz und quer übereinander gestapelt. Auf sowas muss man erstmal kommen.

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Weil Licht brannte, lief ich darauf zu. Eine Klingel konnte ich nicht entdecken, aber die Tür stand offen und so ging ich einfach hinein. Ich schlich mich die weiße Treppe nach oben. Etage für Etage, immer höher und höher. Lief durch die Räume, strich über die Möbel. Setze mich. Mal hier, mal da, auf einen Stuhl oder eine Couch und blickte mit einem gemütlichen Kissen im Rücken versonnen durch die großen Fenster, die diesem Haus geschenkt wurden. Ich schaute mich um. Sah einen Mantel, den jemand über eine Lehne geworfen hatte und auch den Regenschirm, der ihm Gesellschaft leistete. Fragte mich, wer hier gerade noch von der Kuscheldecke wärmen ließ, die zurückgeschlagen auf einem Sessel wartete. Und wer gleich den Tee trinken würde, für den das Service bereits auf dem Tisch stand.

Saß der Besitzer des Mantels eben noch an diesem Schreibtisch und schrieb an einem Brief? An wen war er gerichtet und was war sein Inhalt? Ging es um Design? Um Möbel? Eine Hymne auf all die kleinen und großen Dinge, die hier einen Platz gefunden haben? Denn so wie das Haus von außen schon ganz nach meinem Geschmack war, wurde auch mein Inneneinrichtungsnerv empfindlich getroffen. Diese Möbel und Wohnaccessoires waren einfach Harmonie in Perfektion. Von meiner Seite stünde einem Einzug nichts im Wege. Nur müsste ich die anderen Leute loswerden, die plötzlich auch durch diese Räume schleichen und alles mit ihren Blicken verschlingen. Sobald sie weg wären, würde ich von innen die Tür verbarrikadieren, ein paar Zwischenwände einziehen, ein Badezimmer installieren, eine Küche ordern und mir eine Höhle zum Schlafen einrichten. Das wäre dann wohl geklärt – auch ohne Krise.

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Leider wird daraus nichts werden, denn dieses Haus ist nicht zum Wohnen gedacht. Es ist zum Bestaunen und für alle da. Es ist das VitraHaus in Weil am Rhein. Gebaut von den Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron, dient es als Showroom auf vier Etagen und zeigt Möbelarrangements in unterschiedlichen Stilrichtungen, mit Entwürfen zeitgenössischer Designer aber natürlich auch großen Vitra-Klassikern.

Im unteren Bereich gibt es neben einem Café einen ansehnlichen Shop voller Bücher, Wohnaccessoires und Designobjekten, die nicht lange fackeln und ebenfalls zu Objekten der Begierde werden. Aber natürlich haben all die schönen Dinge auch einen schönen Preis. Und mir blieb nichts anderes, als mich zu fragen, wann dieser eingangs erwähnte Jemand mit seinem Sparstrumpf endlich um die Ecke kommen würde. Ich wartete noch ein paar Minuten, sah aber schnell ein, dass ich meinen mentalen Warenkorb, der schon bis zum Rand vollgestopft war, wieder entleeren musste. Was für ein Jammer.

Alexander Girard Ausstellung im Vitra Design Museum

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Das Vitra Design Museum, das ebenfalls auf dem so genannten Vitra Campus angesiedelt ist, spendete mir etwas Trost und sorgte für Ablenkung. Der kanadisch-US-amerikanische Architekt dieses Museums, Frank O. Gehry, war mir bereits aus Bilbao ein Begriff, hat er doch auch das dort ansässige Guggenheim-Museum gebaut. Eine neue Bekanntschaft konnte ich dann im Museum schließen, denn erst am Vortag war eine Ausstellung von Alexander Girard eröffnet worden, einem der einflussreichsten Textildesigner und Innenarchitekten des 20. Jahrhunderts.

Und so ging ich auch hier von Raum zu Raum und bewunderte die Arbeiten dieses Tausendsassas in den Bereichen Textil-, Möbel-, Grafik-, Ausstellungs- und Interior-Design. Girard hat durchaus berühmtere Zeitgenossen und wurde dafür kritisiert, dass er dem Design zurück gab, was die klassische Moderne abgelehnt hatte: Farbe und Dekor. Als Laie konnte ich über diese Tatsache großzügig hinwegsehen und mochte seine fröhlichen Objekte von der ersten Sekunde an. Am Ende ließ ich doch noch ein paar Euro im Shop des VitraHauses. Ein Memory-Spiel mit Designs von Girard musste mit, was sich als gute Entscheidung erwies, denn allein der Anblick macht mir noch immer gute Laune.

Solltet ihr in der Nähe von Weil, zum Beispiel in Basel, sein, kann ich einen Abstecher auf den Vitra Campus echt empfehlen. Die oben beschriebene Ausstellung läuft noch bis zum 29. Januar 2017. Darüber hinaus gibt es auf dem Gelände Gebäude weiterer namhafter Architekten, die bei Interesse auch im Rahmen einer Führung besichtigt werden können.

Adresse:
VitraHaus & Vitra Design Museum
Ray-Eames-Str. 1 bzw. 2
79576 Weil am Rhein

Öffnungszeiten:
Mo-So: 10-18 Uhr

Website des VitraHaus
Website des Vitra Design Museums

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4 Comments

  • Reply Lenke, Lu-Fan aus Chemnitz 24. April 2016 at 23:23

    Hallo Lu, wieder ein Geschenk, Deine Schilderung zu lesen. Macht Lust, das Haus zu besuchen, und die Bilder beweisen: Du hast nicht übertrieben mit Deiner Begeisterung. Und versprochen: wenn ich den Jemand mit Sparstrumpf treffe, ich weise ihm den Weg zu Dir …..
    Liebe Grüße
    Lenke

    • Reply Lu 26. April 2016 at 0:34

      Danke liebe Lenke. :)

  • Reply Wagner 25. April 2016 at 21:51

    und ich nehm die andere Hälfte vom Haus :) … immer wenn ich daran denke, komme ich ins schwärmen … und ich bin mir sicher … selbst wer nicht als architekturinteressiert oder -begeistert hier reinschaut, findet Gefallen daran :)

    • Reply Lu 26. April 2016 at 0:35

      Alles andere würde mich wundern. :)

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