China: Ein Tag zwischen den Longsheng Reisterrassen

13. November 2019

Heute soll es zu den Longsheng Reisterrassen gehen. Ein letztes Mal gibt es in Yangshuo Frühstück von S., dann bringt James uns ins Stadtzentrum, wo wir an einer verabredeten Stelle auf unser Sammeltaxi warten. Wir sind noch müde, trinken einen Schummelnespresso aus der Dose, die fast nichts beinhaltet, außer einem sehr dicken, schweren Boden. James zieht die Schultern nach oben. Er friert. Hinter ihm fährt ein Straßenreinigungsauto vorbei und dudelt „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Es ist Ende Oktober, morgens halb acht, an einer Straßenkreuzung in China.

Das Taxi setzt sich in Bewegung. Aus dem Rückfenster winken wir James noch einmal zu. Schnell wird er kleiner und kleiner, ist plötzlich verschwunden und nicht mehr physischer Bestandteil unserer Reise, sondern nur noch Erinnerung. Wir nehmen sie mit, als wir kurz darauf in einen großen Reisebus umsteigen. Ein wenig angespannt sind wir, denn niemand spricht mehr Englisch und wir sind den Chinesen quasi ausgeliefert. Zwischen uns sitzt mucksmäuschenstill die Hoffnung. Sie versucht sich aufrecht zu halten, kaut aber nervös an ihren Nägeln und fragt sich insgeheim, ob wir unser Ziel wirklich erreichen werden: das Dorf Ping’an, welches im Gebiet der Longsheng Reisterrassen liegt.

Ein paar Stunden später wechseln wir nochmals in ein kleineres Fahrzeug, in dem wir über Serpentinen einen Berg hinauf rasen. Ich bin mir nicht sicher, ob es gut gehen oder wie in einem dieser Computerspiele enden wird: Kurve nicht gekriegt, abgestürzt, ein Leben verloren. Ich bezweifle auch, dass wir dann wie Phönix aus der Asche steigen und einen weiteren Versuch haben werden. Der Fahrer tut dennoch so, als hätte jeder von uns sieben Leben. Ungewollt schunkeln wir im Rhythmus der Fahrt. Übergeben muss sich schon mal keiner und das ist gut so. Ich bin mir nämlich sicher, dass das Erbrochene schwerelos durch den Fahrraum schweben und am Ende wahllos auf einen von uns herunterklatschen würde.

Ankommen in Ping’an

Es ist frisch und etwas neblig, als wir am Rand des Dorfes der fremden Welt übergeben werden. Zu Fuß gehen wir eine schmale Straße entlang, links und rechts kleine Souvenirs- und Coffeeshops. Unser Hotel ist nicht weit entfernt und wir nehmen unser Gepäck selbst in die Hand. Es gibt auch Frauen, die das im Zweifel für einen erledigen. Denn das Dorf wächst die Hügel hinauf und es führen nur schmale Wege und Treppen zwischen den Holzhäusern hindurch. Mit Autos kann man nur drum herum fahren. Deshalb muss alles hier getragen werden, ganz egal ob Einkäufe, Gepäck oder manchmal auch Touristen, wenn sie zu alt, zu faul oder aus anderen Gründen nicht fähig sind zu laufen.

Zu den traditionellen Holzhäusern gesellen sich neuere hinzu. Es wird fleißig gebaut. Und auch alles was dafür notwendig ist, muss von Mensch und Tier transportiert werden. Regelmäßig überholt uns ein Pferd, das Ziegelsteine oder Zementsäcke auf seinem Rücken von A nach B schleppt.

Pferd in Ping´an transportiert Baustoffe auf seinem Rücken

Hoch, runter, hoch, runter

Ein neuer Tag im Dorf beginnt und wir wandern mehrere Stunden durch die Longsheng Reisterrassen, die sich auf bis zu 800 Metern Höhe befinden und vor etlichen Jahrhunderten in der Yuang Dynastie erschaffen wurden. Die Arbeit muss hart gewesen sein. Gelohnt hat sie sich, denn durch sie ist ein Meisterwerk entstanden, an dem man sich unmöglich satt sehen kann.

Auf der einen Seite des Dorfes erklimmen wir die Hügel und die auch heute noch bewirtschafteten Felder, laufen in einem großen Bogen einmal um das Dorf herum. Oft stehen wir einfach nur da und lassen sprachlos den Blick auf der überwältigend schönen Landschaft ruhen, die an diesem Herbsttag vor uns liegt. Der Reis ist geerntet, genauso wie unzählige Chilischoten, die sich wie Teppiche vor uns ausbreiten.

Blick auf die Longsheng Reisterrassen

Blick auf die Longsheng Reisterrassen

zwei Hühner

Blick auf die Longsheng Reisterrassen

Wegweiser für Aussichtspunkte in Ping’an

Libelle auf Holz

Rote Chilischoten sind zum Trocken ausgebreitet

Als wir am späten Nachmittag wieder unten ankommen, schiebt die Sonne die Wolken beiseite. Das hat sie den ganzen Tag nur recht verhalten getan. Aber jetzt tut sie so, als würde sie bleiben wollen, bis sie ins Bett muss. Herausfordernd schaut sie auf uns herab. Fragt wortlos: „Na, ihr zwei? Was macht ihr jetzt daraus?“.

Wir? Genau. Wir flitzen noch einmal quer durch das Dorf, um uns auf der anderen Seite wieder denselben anstrengenden Berg nach oben zu quälen, den wir einige Stunden zuvor schon einmal erklommen haben. Weil ein stilles Versprechen in der Herbstluft liegt. Eines, das Sonnenuntergang und warme Farben beinhaltet, die sich mit dem Himmel im Wasser der Reisterrassen spiegeln. In dieser Atmosphäre wollen wir das Dorf, die Berge und die Weite noch einmal sehen. Allein die Vorstellung vollbringt Wunder und wird zu unserem Motor.

Als gäbe es kein Morgen, kämpfen wir, reden uns gut zu. Nicht mehr viel. Fast oben. Die letzten Meter noch. Komm! Geschafft. Der Sonnenuntergang ist dann doch nicht so spektakulär wie gedacht. Die Reisterrassen schon. Sie liegen vor uns wie ein Kunstwerk, das jemand mit feinen Linien in die Landschaft gezeichnet hat. Und auch darüber hinaus wusste die Sonne ganz genau, warum sie uns noch einmal nach oben lockt.

Blick auf die Longsheng Reisterrassen und Ping’an

Longsheng Reisterrassen

Longsheng Reisterrassen

Das große Finale in den Longsheng Reisterrassen

Wir treffen nicht nur auf ein paar chinesische Touristen, die kichernd Selfies mit uns machen wollen, sondern auch auf Menschen aus dem Dorf, die ihrer Arbeit nachgehen. Eine Frau, die Reste vertrockneter Reispflanzen abbrennt. Und den Mann, der mit seinem Wasserbüffel Terrassenbecken pflügt. Mit seinen Gummistiefeln versinkt er fast bis zu den Knien im Schlamm. Jeder Schritt ist ein Kraftakt, begleitet von einem tiefen Schmatzen. Noch stärker bei seinem Büffel, der nicht nur mit seiner Körpermasse zu kämpfen hat, sondern auch mit dem Pflug, der zusätzlich wie Blei an ihm hängt.

Trotz der schweißtreibenden Arbeit, lächelt der Mann freundlich in unsere Kameras und winkt uns zu, während der Büffel geduldig wartet. Weise nutzt er die kleine Pause und schaut versonnen auf das Dorf und seine Welt, die sich bereit macht, schlafen zu gehen. Ein Bild, das sich wie ein Äffchen an unser Gedächtnis klammert und es nie wieder loslassen wird.

Frau in Ping’an

Reisterrassen in Ping’an: Frau brennt Reispflanzen ab

Reisbauer und Wasserbüffel in Ping’an in China

Reisbauer und Wasserbüffel in Ping’an

Wasserbüffel schaut auf das chinesische Dorf Ping’an

Und plötzlich sind alle weg

Nun kriecht auch die Dämmerung langsam und angestrengt die Terrassen herauf. Es wird still um uns. Auf dem Berg und in den Gassen des Dorfes ist, außer ein paar Anwohnern, kaum mehr jemand unterwegs. Viele Touristen kommen nur für einen Tag und sind bereits abgereist. Zeit für etwas Gemütlichkeit.

Also zurück ins muckelige Hotel, wo zum Abendessen natürlich Reis auf die Teller kommt. Es wäre auch ein Unding, hier keinen zu konsumieren. Serviert wird er uns als lokale Spezialität: in Bambusrohre gefüllt, über offenem Feuer gegart und mit Hühnchen angereichert. Der Mann stößt mit einem Schnaps, in den unendlich viele Wespen eingelegt sind, auf den Tag an. An der Stelle bin ich raus und kuschel mich bald schon ins Bett, denn morgen früh um 5 Uhr werden wir weiterfahren. Nächster Halt: Hongkong.

Gut zu wissen

So war das 2016. Vielleicht ist Ping’an inzwischen zu einer weiteren Millionenmetropole herangewachsen – in China weiß man ja nie. Zumal es eines der bekanntesten Dörfer ist, die im Zusammenhang mit den Longsheng Reisterrassen genannt werden. Entsprechend wimmelt es in der Hochsaison, die von März bis Oktober geht, wohl auch von Touristen. Einige von ihnen sind uns über den Weg gelaufen als wir Ende Oktober da waren, aber das ließ sich in Summe noch ganz gut zu verkraften.

Lage der Longsheng Reisterrassen

Longsheng County und die Reisterrassen befinden sich im Süden Chinas, ungefähr 115 Kilometer nordöstlich von Guilin entfernt.

Beste Reisezeit

Die beste Zeit, um zu den Reisterrassen zu fahren, ist sicher Geschmackssache. Im Frühjahr kannst du erleben, wie die Felder geflutet werden, im Sommer ist alles saftig grün. Ganz sicher hat vor allem der Spätsommer seinen Charme, bevor der golden leuchtende Reis geerntet wird. Aber auch jetzt im Herbst ist es sehr schön hier. Solltest du es ruhiger mögen, dann ist vermutlich die Nebensaison ab Mitte Oktober und über den Winter besser geeignet, allerdings ist es dann auch kalt, vielleicht schneit es sogar.

Wanderungen bei den Longsheng Reisterrassen

Wir waren auf eigene Faust unterwegs, hätten aber auch die Möglichkeit gehabt, über unser Hotel geführte Wanderungen zu buchen. Am besten fragst du einfach vor Ort nach.

Hotel, An-/Abreise und Fahrkosten

Unser Hotel in Ping’an (es gibt einige) hatten wir bereits in Deutschland gebucht. Die Anreise haben wir, wie oben beschrieben, von Yangshuo aus mit Bussen gemacht. Arrangiert hatte das unser Hotel. Die Reisezeit von Tür zu Tür betrug ca. fünf Stunden. Ich glaube, dass die Kosten für die Fahrt inklusive Eintrittspreis in den Nationalpark bei etwa 300 CNY (ca. 41 EUR) lagen. Ganz sicher bin ich mir nicht, weil wir so viele verschiedene Sachen gleichzeitig bezahlt haben.

Für die Abreise von Ping’an wurde uns vom Hotel ein privater Fahrer organisiert, der uns früh morgens vor dem Hotel einsammelte und bis zum Bahnhof in Guilin brachte. Die Kosten hierfür lagen bei 450 CNY (ca. 62 EUR). Mit einem Schnellzug ging es nach Guangzhou und von dort ebenfalls mit dem Zug weiter nach Hung Hom (Kowloon). Durch Umsteigen, Wartezeiten und längerer Suche nach unserer Wohnung in Hongkong zog sich dieser Reisetag über 15 Stunden. Das kannst du vermutlich auch mit weniger Zeit bewerkstelligen, wenn du einen früheren Zug buchst und deine Unterkunft schneller findest.

Geldautomaten

Ich meine mich zu erinnern, dass es in Ping’an damals keinen Geldautomaten gab. Vielleicht hat sich das inzwischen geändert, aber nimm dir sicherheitshalber lieber Bargeld mit.

Das schreiben andere über die Longsheng Reisterrassen

Reinhard und Chrissie berichten auf ihrem Blog „(Mit) Rucksack und Rentner um die Welt“ wie sie vom Dörfchen Dazhai (das sich nach eigener Aussage leider gerade in eine „Mischung aus Garmisch-Partenkirchen und Oktoberfest“ verwandelt) nach Ping’an gewandert sind. Du erfährst außerdem etwas über die hier lebende ethnische Minderheit der Yao (auch Mao genannt). Die Formatierung des Artikels ist leider etwas zerschossen, dafür ist er recht aktuell.

Noch mehr von unserer Chinareise

Wenn du noch mehr über unsere China-Reise lesen möchtest, findest du hier weitere Artikel:

Fotocredit: Letztes Bild © Matthias Zwanzig

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